MFG - Nicht normal!
Nicht normal!


MFG - Das Magazin
St. Pöltens gute Seite

Nicht normal!

Text Johannes Reichl
Ausgabe 12/2007
Fall 1: Andreas T. ist von Geburt an blond. 20 Jahre war er mit seiner Lebensgefährtin Hanna, ebenfalls blond, liiert. Ein Traumpaar, bis sie durch einen Schlaganfall aus dem Leben gerissen wird. Klar, dass er alles erben soll. Doch Andreas wird mitgeteilt, er sei nur erbberechtigt, wenn ein Testament vorliegt. Das gibt es aber nicht. Nicht einmal ein Pflichtteil steht ihm zu. (Und hätte es eins gegeben, müsste Andreas aufgrund seiner Blondheit einen höheren Steuersatz zahlen!) Fall 2: Die Linkshänderin Susi F. geht arbeiten. Ihre linkshändige Partnerin führt zuhause den gemeinsamen Haushalt. Als sie den Alleinverdienerabsetzbetrag geltend machen möchte, wird ihr dies aufgrund ihrer Linkshändigkeit verwehrt. Von anderen Fällen, die zwar Dank EU-Druck per Gesetz mittlerweile verboten sind, aber noch immer passieren (aufgrund mangelnden Wissens?), ganz zu schweigen: Etwa vom St. Pöltner Walter K., dem ein Wiener Krankenhaus, in das seine St. Pöltner Lebensgefährtin eingeliefert worden ist, keine Auskunft erteilen wollte, weil er kein Ehepartner oder direkter Verwandter ist. Oder vom Arbeitgeber, der dem Brillenträger Jochen B. im Unterschied zu den normalsichtigen Mitarbeitern keine Pflegekarenz gewährt. Oder vom schwarzen Hausbesitzer, der einer weißen Frau nach dem Tod ihres weißen Mannes verwehren will, in den Hauptmietvertrag einzutreten, so dass sie die gemeinsame Wohnung verlassen muss. Haben Sie beim ersten Fall noch ungläubig den Kopf geschüttelt, so sind Sie mir mittlerweile auf die Schliche gekommen: Alles erlogen! Blödsinn! Richtig! Nur, wenn ich etwa anstatt des Blonden die lesbische Martha eingesetzt hätte, und statt der Linkshänderin den schwulen Franz, sowie in allen anderen Fällen Homosexuelle, dann wären diese Beispiele aus dem Leben gegriffen. Das passiert tatsächlich! Heute, 2007! Nicht normal, oder? Warum ich grad Blonde oder Linkshänder anführe? Ganz einfach: Es gibt davon statistisch betrachtet ca. so viele wie Homosexuelle: 10% der Bevölkerung. Warum sich diese normalen Mitbürger noch immer mit Diskriminierungen herumschlagen müssen oder ihnen eine Ehe im rechtlichen Sinne verwehrt wird (mit all den oben angeklungenen Folgen) ist schwer zu begreifen: Einerseits mag es an grundsätzlicher, irrationaler Angst vorm „Fremden“ liegen, andererseits auch an einer negativen Konditionierung durch die katholischen Kirche und ihre „Sexualmoral“. Ich finde es ja furchtbar schade, dass Jesus kein homosexuelles Pärchen offiziell besucht hat bzw. hat er wahrscheinlich eh, nur steht darüber nichts in der Bibel. Für einen toleranten Menschen wie Jesus wars halt stinknormal und daher kein Grund, extra Lobbying zu machen. Aber dann wäre die Diskussion von dieser Seite vom Tisch und die katholische Kirche von ihrer zynischen, so gar nicht christlichen Haltung befreit: Nächstenliebe geht halt schwer mit Intoleranz zusammen. Zudem irritiert mich eines: Stellt man mit der Negation eines natürlichen Phänomens nicht die Schöpfung an sich in Frage. Will man etwa unterschwellig behaupten, Gott hat sich geirrt? Aber wenn schon die Kirche, aus welchen Gründen auch immer (es fielen einem einige ein) reaktionär in der Sache dahindümpelt, so sollten wir als aufgeklärte Bürger zumindest endlich unsere Verfassung, Artikel 7, ernst nehmen und Druck auf die Politik machen. „1) Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich.“ Mehr gibt’s dazu eigentlich nicht zu sagen, außer vielleicht ein kleines Gedankenexperiment. Überlegen Sie für sich, zu welcher Minderheit Sie gehören, und dann versetzen Sie sich in die Lage, wie das so wäre, wenn man Sie deshalb völlig grundlos diskriminiert. Nicht schön, oder? Na eben! Ich kann ja auch nichts „dafür“, dass mir die Haare ausfallen!